EV-Sportlerwahl: Leichtathletin träumt von den Paralympics
Quellennachweis: Sportredakteur Marius Holthaus, Emsdettener Volkszeitung, Ausgabe 04.01.2024
Kim Vaske steht ein extrem spannendes Jahr bevor. „Es wird eine Wundertüte“, sagt die Emsdettenerin. Bestenfalls springt für sie im Sommer die Teilnahme an den Paralympics in Paris heraus! Im EV-Gespräch schätzt die Leichtathletin (18) ihre Chancen ein und erzählt, wie sie an diesen aufregenden Punkt in ihrem noch jungen Leben gelangt ist.
Ein interessantes Gespräch…
Mit etwa zehn Jahren trat Vaske mit der LGE bei einem Wettkampf in Münster an. Dort wurde eine Trainerin auf sie aufmerksam. „Sie hat gesehen, dass ich nur einen Arm habe und meinte, bei Interesse könnte ich mich doch mal in Leverkusen melden.“ Der dortige Verein Bayer ist auf Parasport spezialisiert.
Rund vier Jahre später erinnerte sie sich an dieses Gespräch. Vaske war mittlerweile aufgefallen, dass ihre nicht behinderten Gegnerinnen „einfach schneller liefen und weiter sprangen – trotz gleichen Trainings“.
Daher wollte die damals 14-Jährige fortan im Parasport angreifen, und zwar bei besagter Topadresse Bayer Leverkusen. „Ich bin zu meinen Eltern gegangen und habe gesagt: Hey, ich will das ausprobieren.“ Die gaben ihr Okay. Überhaupt gebühre ihren Eltern großer Dank, denn alles Folgende wäre ohne ihre Unterstützung nicht möglich gewesen…
Angefangen hat alles bei der Laufgemeinschaft Emsdetten (LGE), „mit fünf oder sechs Jahren“, erinnert sie sich. Die kleine Kim nahm an Cross- und Volksläufen teil. „Das wurde mir aber zu langweilig, ich wollte auch springen und werfen.“ Fortan war der Vierkampf aus Sprint, Kugelstoßen, Weit- und Hochsprung ihre sportliche Heimat.
Extrem erfolgreiches Jahr 2023
Kim Vaske schrieb dem Verein im Rheinland eine Mail, wurde direkt zu einem Wettkampf wenige Wochen später in Bottrop eingeladen, überzeugte dort und gehört seither Bayers Trainingsgruppe an. Möglichst oft fuhr sie an Wochenenden gleich nach der Schule mit dem Zug dorthin, trainierte ansonsten weiter in Emsdetten. Der Aufwand zahlte sich aus, wie allein ein Blick aufs Jahr 2023 zeigt. Im Februar holte Vaske bei der deutschen Hallenmeisterschaft in Erfurt drei Titel über 60 Meter (mit noch heute gültigem deutschen Rekord von 8,37 Sekunden!), 200 Meter und im Weitsprung. Im Juli folgte das nächste Highlight: die Teilnahme an der Weltmeisterschaft der Para-Leichtathleten in Paris. Wohlgemerkt: All das in der Frauenklasse, obwohl sie noch Juniorin ist.
Bei der WM verbesserte Vaske ihre 200-Meter-Bestmarke um satte 1,13 Sekunden, wurde in 27,27 Sekunden Zehnte. Auch über 100 Meter lief es blendend: Rang zwölf in 13,09 Sekunden. Nur Platz 15 im Weitsprung war enttäuschend, blieb sie mit 4,57 Metern doch deutlich unter ihrer bisherigen Topleistung (5,25 Meter).
Harte Quali für die Paralympics
Jetzt richtet sich der Blick erneut nach Paris: zu den Paralympics 2024. Kim Vaske will dort in ihren drei Paradedisziplinen dabei sein. Es wird ein steiniger Weg. Um die Norm zu erfüllen, müsste sie jeweils neue Bestleistungen schaffen. Selbst dann bliebe aber noch die Frage, wie viele Startplätze Deutschland überhaupt erhält. Mit guten Leistungen bei den Quali-Wettkämpfen ab Mai können die deutschen Athleten diese Zahl positiv beeinflussen. Weiteres Problem: Kommt es hart auf hart, müsste die Nachwuchs-Sportlerin wohl den Älteren, für die es die letzte Paralympics-Chance wäre, den Vortritt lassen. „Das würde ich dann aber gerne machen“, sagt sie fair, „ich bin noch jung, und die Paralympics 2028 in Los Angeles sind auch nicht mehr weit.“
Bestenfalls ist sie aber schon in Paris in mindestens einer Disziplin dabei. Vaske: „Die geforderten Qualifikationskriterien sind machbar.“ Dafür trainiert sie sechs Mal pro Woche jeweils zweieinhalb bis drei Stunden, sagt schmunzelnd über die viel investierte Zeit: „Jedes Wochenende feiern gehen kann ich nicht.“ Großes Plus: Nach ihrem Abi (Notenschnitt 1,7) am Gymnasium Martinum zog sie 2023 nach Leverkusen, fand eine Wohnung direkt am Bayer-Stützpunkt. „Von meinem Küchenfenster aus kann ich das Stadion sehen.“ Seit Oktober studiert sie in der Nachbarstadt Köln Sport und Sozialwissenschaften auf Lehramt.
„Unser Trainer hat uns als Weihnachtsgeschenk freigegeben“
An den Feiertagen konnte Kim Vaske zu Hause in Emsdetten endlich mal ein wenig verschnaufen. „Unser Trainer Erik Schneider hat uns als Weihnachtsgeschenk freigegeben, zum Abschalten und Regenerieren.“ Seit Dienstag ist sie aber schon wieder zurück auf der Sportanlage in Leverkusen. Schuften für den großen Paralympics-Traum.
Auswirkungen durch den fehlenden Arm
Kim Vaske kam ohne rechten Unteram zur Welt. Das hat Auswirkungen auf ihre sportlichen Leistungen, da er ihr unter anderem als Schwungelement fehlt. Zudem könne sie beim Krafttraining bestimmte Übungen nicht machen, „für die man zwei Arme braucht“, nennt sie ein weiteres Beispiel. Als Faustregel gilt: Die Athleten in der Startklasse „T47 Einarmig“ büßen über 100 m eine Sekunde und im Weitsprung einen Meter im Vergleich zu Nicht-Parasportlern ein.
Vaske, Mitglied der Laufgemeinschaft Emsdetten, steht zur Wahl als EV-Sportlerin des Jahres 2023. Die Ehrung der Sieger erfolgt bei der 2. Dettener Sportsnight am Samstag, 20. Januar 2024.
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