„Nicht zum Spazierenfahren“

von Friedhelm Wenning, Sportredakteur der Emsdettener Volkszeitung, Ausgabe vom 07.06.2021

Einer überglücklichen Hannah Arlom konnte man das Strahlen fast durchs Telefon ansehen: „Das war super“, zog sie nach ihrem zweiten Start bei den „Finals“ in Berlin ein knappes, aber begeistertes Fazit.

Die Deutschen Meisterschaften der Elite-Damen beendete die Emsdettenerin am Samstag auf dem 40. Platz. „Das war viel besser, als ich erwartet hatte. Nachdem ich die Starterinnenliste gesehen habe, habe ich damit gerechnet, unter den letzten Zehn zu landen. Es waren fast ausschließlich Kaderathletinnen und Olympia-Teilnehmerinnen am Start. Das Durchschnittsalter der Athletinnen betrug 22 Jahre – und ich bin 34 Jahre alt“, erklärt Hannah Arlom, warum sie mit dem 40. Platz unter 73 Starterinnen mehr als zufrieden ist.

Zumal ihr diese Platzierung auf der Sprintdistanz gelang. Denn Hannah Arlom ist auf die Mittel- und noch mehr auf die Langstrecke spezialisiert.

„Sprintdistanz“ – das hat bei den Triathleten eine ganz andere Bedeutung als bei den anderen Leichtathleten. Es galt 750 Meter im Wannsee zu schwimmen, dann 20 Kilometer mit dem Rad die Verbindungsstrecke zum Olympiastadion zu fahren, schließlich fünf Kilometer zu laufen „Wenn ich meinen Rhythmus gefunden hatte, dann waren die Strecken schon fast zu Ende“, beschreibt Hannah Arlom, wie groß die Umstellung auf die Kurzstrecken für sie war.

Übernervös und von der Atmosphäre in Berlin tief beeindruckt stieg Hannah Arlom in den 19 Grad kalten Wannsee, als sie nach 750 Metern wieder aus dem Wasser stieg, hatte sie als 51. trotz sehr guter Leistung (10:14 Minuten) viele Kolleginnen, die auf die kurze Distanz spezialisiert sind, ziehen lassen müssen. „Wäre sie nur wenige Sekunden schneller gewesen, dann hätte sie rund 20 Plätze gutmachen können, weil sie in die dritte von vier Radgruppen gekommen wäre“, macht Trainer Guido Bünker deutlich, dass die Emsdettenerin nur haarscharf an einer noch besseren Platzierung vorbeischrammte.

„Beim Start war ich so nervös, dass ich gestolpert bin. Im Wasser hatte ich dann keine Probleme,“ so Hannah Arlom. Die begannen danach: Fertig vom Schwimmen ging es einige hundert Meter laufend zu einer Treppe mit 76 Stufen, dann musste eine Schräge nach oben überwunden werden, um endlich in die Wechselzone zu kommen. Dort verlor Hannah Arlom wertvolle Sekunden, denn die geübten Kurzstrecklerinnen wissen sich viel schneller umzuziehen, als die Langstrecklerin, für die die Zeit in der Wechselzone normalerweise nicht so entscheidend ist.

Allein ging‘s so auf die Radstrecke – ein Riesennachteil, weil das Windschattenfahren ja jetzt erlaubt ist. „Ich habe aber hundert Meter vor mir die vierte Gruppe gesehen. Doch egal wie heftig ich in die Pedale getreten habe, ich kam einfach nicht näher“, erzählt Hannah Arlom. „Ich wusste aber, dass nach etwa sieben Kilometern eine Steigung kommt, das war meine Chance.“ Und tatsächlich, oben an der Kuppe holte Arlom die Gruppe von zehn Fahrerinnen ein. Fortan wechselten sich die Zehn in der Führungsarbeit ab.

Als Erste dieser Gruppe ging Hannah Arlom nach 32:15 Minuten Radzeit in die Wechselzone, als Zweite kam sie wieder heraus. „Auf den ersten 500 Metern der Laufstrecke hätte ich dann fast aufgegeben, so kaputt war ich von der Aufholjagd auf dem Rad“, beschreibt Hannah Arlom ihre Gedanken. „Doch dann habe ich an die vielen Menschen gedacht, die mir die Daumen gedrückt und die Meisterschaft am Fernsehen geschaut haben. Das hat meine Moral wieder gestärkt“, so Arlom, die sich schon auf der Radstrecke, als sich der Abstand auf die Gruppe partout nicht verkürzen wollte, gesagt hatte: „Du bist hier nicht zum Spazierenfahren.“

Als Hannah Arlom dann auf der Laufstrecke nach 500 Metern ihren inneren Schweinehund überwunden und ihren Rhythmus gefunden hatte, überholte sie noch einige Triathletinnen, kam schließlich völlig erschöpft, aber genauso glücklich nach 17:57 Minuten ins Ziel. Nicht nur das Erlebnis „Finals in Berlin“ auch Hannah Arlom, die insgesamt 1:03:22 Stunden geackert hatte, war eben super und am Ende schneller als ihre drei Teamkolleginnen vom TuS Griesheim. Als nächster Wettkampf wartet jetzt der Münster-Triathlon am 27. Juni. Ärgerlich: Wegen der Corona-Pandemie wird auch der in diesem Jahr ausschließlich als Sprintdistanz angeboten.